Als Minimal Music wird ein Untergenre der Neuen Musik bezeichnet, das sich in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte. Aus der gleichen ideellen Programmatik der Abkehr vom übermäßig Komplexen wie die Strömung der Minimal Art entstanden, proklamiert die Minimal Music die Hinwendung zu größtmöglicher Simplizität in der musikalischen Gestaltung eines Stücks. Dies betrifft sowohl das Kompositorische, wie etwa die Rhythmik, aber bedeutet vor allem auch eine Reduktion des Tonmaterials in Umfang und Vorrat. Minimal Music orientiert sich dabei ursprünglich maßgeblich an afrikanischer und asiatischer Polyrhythmik. Hier folgen einige bekannte Stücke, die Minimal Music definieren.
Terry Riley – In C (1964)
Sicherlich eines der populärsten Stücke minimalistischer Musik ist „In C“ von Terry Riley. Das aus dem Jahre 1964 stammende Stück zeichnet sich durch denkbar große Einfachheit aus und gilt damit als Paradebeispiel für Minimal Music. Trotz oder gerade aufgrund seiner beeindruckenden Simplizität, prägt „In C“ eine fröhliche, hypnotische musikalische Stimmung, die vornehmlich durch den repetitiven Einsatz von C-Dur vorangetrieben wird. Komponist Terry Riley, hat für die Aufführung dieses Stück keine Anzahl an Musizierenden vorgesehen, jedoch eine Empfehlung von 35 abgegeben. In C besteht aus 53 kurzen musikalischen Phrasen (die Phrasierung ist eines der Hauptthemen in minimalistischer Musik), die von den aufführenden Personen nach eigenem Ermessen wiederholt werden sollen.
Philip Glass – Glassworks No. 1, Opening (1982)
Philip Glass kann getrost als einer der Urväter minimalistischer Musik angesehen werden, ebenso wie Terry Riley. Er komponierte unzählige Klavier- und Orchesterstücke, aber auch Filmmusik, die der Minimal Music zugeordnet werden. Zu seinen bekanntesten werken zählt zweifelsohne die Sammlung für Piano und Kammermusikensemble „Glassworks“. Das Eröffnungsstück für das Piano ist eine Blaupause für moderne minimalistische Musik, die vom Repetitiven und polyphoner Rhythmik lebt.
Steve Reich, Different Trains „America – Before the War“ (1988)
Die Rhythmik und der Sound von Zügen, die in den 30er und 40er Jahren über Gleise donnern, Tonbandaufnahmen von Menschen, die in der Nachkriegszeit das vormals Geschehene einzuordnen suchen: Die Essenzen von „Different Trains“ bilden ein Werk, das die westliche Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein anderes zu umspannen weiß. Im ersten Teil „America – Before the War“ bauen Streichinstrumente repetierende rhythmische Muster, die einen fühlen lassen, als rausche ein Zug in voller Fahrt vorbei, während sich darunter Tonbandaufnahmen pfeifender Dampfloks und verschiedener Reisender mischen. Die Grundidee dieses Zyklus liegt die Annahme zugrunde, dass sich jüdisches Leben im Europa und Amerika der 30er und 40er Jahre grundlegend unterscheidet. Während amerikanische Juden Züge zur privaten Fortbewegung nutzen, sind jene im Europa dieser Zeit ein essentielles Vehikel zur Deportation. „Different Trains“ wurde von Steve Reich als Stück für Orchester und Tape konzipiert.
Ludovico Einaudi – I Giorni (2006)
Wenn auch Ludovico Einaudi mehr als Interpret populärer Neo-Klassik gelten darf, sind die Klavierstücke des italienischen Komponisten nicht wenig von der Idee der minimalistischen Musik beeinflusst. Seine Klavierstücke wie „I Giorni“ glänzen nicht selten durch Unaufdringlichkeit, deren Simplizität jedoch nicht Beliebigkeit verwechselt werden darf. Die Kompositionen weisen eine Klarheit auf, die den Stücken Einaudis ein breites Publikum über viele Genregrenzen hinweg beschert.
Meredith Monk – Ellis Island (1981)
Minimal Music und Filmmusik sind nahezu untrennbar miteinander verbunden. Das Stück Ellis Island wurde von der amerikanischen Komponistin Meredith Monk für ihre gleichnamige Video Installation geschrieben. Ellis Island ist für die Aufführung durch zwei Pianist*innen vorgesehen, die im Zusammenspiel repetierende polyrhythmische Strukturen schaffen, wie sie für die minimalistische Musik typisch sind. Im Kurzfilm untermalt die Pianomusik meditativ Filmszenen, die die Erfahrungen von Immigrant*innen, die auf Ellis Island ankommen, um ein neues Leben in der neuen Welt Amerika zu beginnen, dokumentieren.