„Parental Advisory: Explicit Content“ – Haben Sie sich jemals in ein Musikgeschäft begeben und durch einige Alben gestöbert, speziell in der Hip-Hop Abteilung, wird Ihnen das prominente Etikett in schwarz und weiß aufgefallen sein. Aber was bedeutet es eigentlich und welche Bedingungen muss ein musikalisches Werk erfüllen, um mit dem Label gekennzeichnet zu werden? Eine ungewöhnliche Geschichte über die Selbstregulierung der Musikindustrie.

Vom Kinderzimmer in den Gerichtssaal

Im Jahr 1985 gründete sich in den USA mit der Parents Music Resource Centers (PMRC) zum ersten Mal eine Initiative für die Beurteilung und Kennzeichnung von für Kinderohren untauglichen Texten. Gründungsmitglieder waren unter anderem Mary Tipper Gore und Susan Baker, die Ehefrauen der amerikanischen Politiker Al Gore und James Baker, sowie weitere in der Öffentlichkeit durchaus einflussreiche Frauen.

Zeilen wie

  • „I met her in a hotel lobby masturbating with a magazine“ aus Prince‘ „Darling Nikki“
  • und „Like a virgin touched for the very first time“ aus Madonnas „Like a Virgin“

fielen den Frauen als unangebracht auf, als ihre minderjährigen Kinder diese laut mitsangen.

Daraus folgte die Motivation, Eltern durch Hinweise und abgedruckte Texte auf den Covers der Alben auf die möglicherweise problematischen Inhalte aufmerksam zu machen. Das Thema gewann schnell an öffentlichem Interesse, sodass es letztendlich noch im Gründungsjahr der PMRC zu einer rechtlich bindenden Senats-Anhörung kam.

Dort standen auf der einen Seite die Forderungen der von der Presse so getauften „Washington Wives“: Eine klare Einordnung in die Art des betreffenden Inhalts (z.B. „D/A“ für Drogen oder Alkohlinhalte, „X“ für sexuell Explizites etc.). Dem entgegen stellten sich Musiker wie Frank Zappa und John Denver, die sich auf ihre Redefreiheit beriefen und jegliche Kennzeichnungen ablehnten. Einigen konnte man sich schließlich auf den Kompromiss einer freiwilligen Markierung von Seiten der Studios: „Parental Advisory: Explicit Lyrics“ im unteren Rechten Bereich des Cover-Artworks.

Erziehungshinweis oder Generationensymbol?

Zu Deutsch bedeutet die Formulierung etwa: „Hinweis für Erziehungsberechtigte: Expliziter Inhalt/Explizite Texte“. Sie sollte demnach in allererster Linie als Erziehungshilfe – und nicht als Zensur – verstanden werden. Das Ergebnis wich allerdings deutlich von dem ab, was sich die Vertreter der PMRC vorgestellt hatten.

Einerseits wendeten sich nun einige Künstler gegen den von ihnen als Zensur wahrgenommenen Gerichtsbeschluss und wendeten sich mit ihren Texten speziell gegen die Elterninitiative oder produzierten schlicht bewusst provokative Inhalte. Andererseits bildete sich auch bei den (vor allem jüngeren) Konsumenten ein Bewusstsein für die Bedeutung des Advisory-Labels. Spätestens 1991, als große Händler wie Walmart den Verkauf der gekennzeichneten Alben einstellten und stattdessen zensierte oder inhaltlich angepasste Werke anboten, war das Siegel vor allem eine einfache Möglichkeit für die Teenager-Generation, die für sie interessante Musik herauszufiltern.

Vor allem die von dunkelhäutigen Künstlern dominierte Rap – und Hip-Hop-Szene erkannte das Potential eines gemeinsamen Symbols für Widerstand gegen Unterdrückung jeglicher Art. Mit der Zeit gewann das Symbol so immer mehr an Popularität und Medienaufmerksamkeit und gelang somit in die Mainstreamkultur. Anstatt die Verkäufe der vermeintlich problematischen Inhalte zu beschränken, wurden sie also noch bewusster hergestellt und umso erfolgreicher verkauft.

Einschränkung im Zeitalter des Internets?

Heute hat der Parental Advisory-Hinweis an Symbolkraft in jeder Hinsicht verloren. Künstlerische Freiheit ist stärker im kollektiven Bewusstsein angekommen und die markierten Werke sind wieder überall problemlos erhältlich. Es gibt für viele Musiker also kaum noch einen Grund, einen Widerstand gegen Zensur anzuregen.

Gleichzeitig hat auch das Verlangen aus der Gesellschaft heraus abgenommen, schwierige Inhalte um des Andersseins wegen zu hören, zu sehr sind Rap und Hip-Hop in der gewöhnlichen Popkultur angekommen. Zusätzlich hat das Internet einen großen Einfluss auf die elterliche Kontrolle des Musikkonsums ihrer Kinder:

Wer kann schon in Zeiten von Youtube und co. verhindern, dass das eigene Kind in Panic! at the Discos „I write Sins not Tragedies“ die Zeile „The poor grooms bride is a whore“ („Die Braut des armen Bräutigams ist eine Hure“) hört? Trotz eines Online-spezifischen Explicit-Labels lässt sich das bei der großen Verfügbarkeit von Musik im Web kaum kontrollieren.

Dementsprechend lässt sich das Parental-Advisory heute auf seine polarisierende Geschichte und den Wiedererkennungswert auf den Covers reduzieren, seine Wirkung als erzieherische Maßnahme, so umstritten sie ohnehin war, dürfte heute kaum noch vorhanden sein.

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