Die historische Epoche des Vormärz erstreckt sich nur über wenige Jahre: vom Ende des Wiener Kongresses 1814/15 bis zur deutschen Revolution 1848/49. zeitgleich wird die Epoche des Biedermeier eingeordnet. Obgleich beide Epochen sich den Zeitraum teilen, sind sie von der geistigen Einstellung her einander komplett entgegengesetzt. Während der Vormärz von revolutionären Gedanken und geistigem Aufbruch geprägt ist, ist der Biedermeier eine Zeit des Rückzugs und der unpolitischen Familienidylle. Musikgeschichtlich endete in dieser Zeit die Klassik (1760 bis 1820) und wurde von der Romantik (1820 bis 1890) abgelöst.
Widerstand gegen die reaktionäre Politik
Die meisten Werke der Klassik und Romantik wurden allerdings von den Künstlern des Vormärz eher abgelehnt. Die Klassik war ihnen zu elitär und abgehoben, die Romantik zu verspielt und verträumt. Im Vormärz wurde die Musik als politisches Statement benutzt um gegen Unterdrückung, Zensur und Bespitzelung zu protestieren.
Charivari oder Katzenmusik
Angelehnt an den Lärm, den verliebte Katzen machen können, wird unmelodische, lärmende Musik, bei der außerdem noch unterschiedliche Töne und Geräusche vorkommen, als Katzenmusik oder lautmalerisch Charivari bezeichnet. Die verwendeten Instrumente haben dementsprechend auch alle eins gemeinsam: Sie produzieren richtig viel Lärm. Typische Instrumente sind Schlaginstrumente wie Trommeln oder Becken, bestimmte Blasinstrumente wie Pfeifen oder Hörner, Klangkörper wie Schellen oder Glocken, Schrapinstrumente wie Ratschen oder Waschbretter. Hinzu kommen Gerätschaften, die nicht ursächlich als Musikinstrumente gedacht sind, sich aber sehr gut zum Lärm erzeugen eignen: metallene Gegenstände wie Topfdeckel, Blecheimer, Pfannen, Gegenstände zum Knallen wie Peitschen und Dreschflegel. Aufgrund des Lärms, der auf diese Weise entstehen kann, wurden diese Instrumente und Gerätschaften im Vormärz vor und während politischen Demonstrationen benutzt.
Vor dem Beginn des Charivari wurde meist das Fuchs-Lied gesungen, ein altes Studentenlied, das darauf zurückgeht, dass Studienanfänger als „Fuchs“ bezeichnet wurden. Das Lied ist sehr einfach und lustig und ist als Frage- und Antwort-Lied aufgebaut. Es beginnt mit der Frage: Was kommt dort von der Höh‘, was kommt dort von der ledernen Höh‘? Zuerst kommt der Postillon, der einen Fuchs mitbringt. Es folgen weitere Fragen und Antworten: der Herr Papa liest im hohen Kikero (klassische Aussprache von Cicero), die Frau Mama fängt dem Papa Flöhe, die Mamsel soeur (frz. Schwester) stritt dem hohen Papa Strümpfe, der hohe Herr Rektor prügelt die Buben, der Fuchs raucht Tabak, von dem ihm so übel wird, dass er sich übergeben muss. Als dem Fuchs wieder wohl ist, wird er schließlich ein Burschenschaft. Mit diesem Lied zur Einstimmung und dem anschließenden ohrenbetäubenden Lärm der Katzenmusik konnten bei Demonstrationen ziemlicher Aufruhr entstehen.
Studenten und Burschenschaften als Träger der Vormärz-Musik.
Dass ein Studentenlied bei politischen Kundgebungen zum Einsatz kam, kommt nicht von ungefähr. Die Studenten, bzw. Burschenschaften waren die hauptsächlichen Träger des revolutionären Gedankens in der Zeit des Vormärz. Ihnen drohte eine Vielzahl an Repressalien. 1819 wurden in den Karlsbader Beschlüssen die Burschenschaften verboten, was sie nicht daran hinderte, weiter zu existieren. Studenten und ihre Professoren drohte, sofern sie unliebsam auffielen, das Ende ihrer universitären Karriere, sie konnten ausgewiesen werden und ihre Professoren entlassen werden. Zu den berühmtesten Opfer dieser Maßnahmen zählte der Dichter, Naturwissenschaftler und Revolutionär Georg Büchner auf der Seite der Studenten und auf der Seite der Professoren unter anderen die sogenannten Göttinger Sieben, zu denen auch die Brüder Grimm gehörten.
Politische Lieder des Vormärz
Da diese Kunstform die beste Möglichkeit bietet, politische Gedanken in eindringlicher Weise zu verbreiten, sind Lieder das musikalische Element, das den Vormärz am besten charakterisiert.
Als 1819 die patriotische Urburschenschaft Jena abgeschafft wurde, entstand das Lied „Wir hatten gebaut ein stattliches Haus“ (Daniel August von Binzer), in dem der Zerstörung dieser Burschenschaft gedacht wurde.
Einige dieser Lieder sind noch heute bekannt: Die Gedanken sind frei (Volkslied, um 1780 entstanden, die Ideen stammen bereits aus dem Mittelalter); Brüder, so kann’s nicht gehen (1825, Karl August Follen, Melodie: Heil dir im Siegerkranz); O König von Preußen, du alter Potentat (1800); Michel, warum weinest du? (Vor 1848, Adolf Glaßbrenner, Melodie: Grün, grün, grün sind alle meine Kleider); O hängt ihn auf (vor 1848, Verfasser unbekannt, Spaßlied als literarische Montage); Andreas-Hofer-Lied (1831, Julius Mosen, historischer Bezug: die Hinrichtung Andreas Hofers); Ach Gott, vom Himmel seh‘ herein (um 1830, Verfasser unbekannt); Auf einem Baum ein Kuckuck… (Vor 1848, Volkslied/Kinderlied, mit dem Kuckuck als Freiheitssymbol).