We are family? Songs über die Liebsten

Nicht alle Songs, welche die menschliche Familie besingen, haben einen solch eindringlichen Party-Beat, wie der Song von Sister Sledge aus dem Jahr 1979. In der Popmusik wird klassischer Weise über die Liebe gesungen, im Guten wie im Schlechten. Hier werden die Hörer emotional, hier legen die Künstlerinnen und Künstler meist ihr ganzes Herzblut hinein. Über Mama, Papa, Oma und Opa singen? Ja auch das weckt Gefühle beim Zuhörer!

Blut ist dicker…

In David Guettas „Family“ lässt die Sängerin ihre Freunde von vornherein obsolet erscheinen. „Ich brauche keine Freunde, ich habe Familie.“ Das hört sich zunächst wenig sympathisch an, ist doch für die meisten von uns beides wichtig. Oder sind der Sängerin die Freunde so wichtig, dass sie sie als ihre Familie bezeichnet? Gleicher Titel, andere Band: Die Chainsmokers scheinen es ganz ähnlich zu sehen. Das Sprichwort vom dickeren Blut findet sich gleich in der ersten Strophe von – wie soll der Song auch anders heißen – „Family“. Für manche Künstler scheint es eben wichtig zu sein, eine klare Linie zwischen Freunden und Familie zu ziehen.

Da dreht Max Giesinger den Spieß um. Zugegeben, „Wenn sie tanzt“ ist jetzt nicht der typische Familiensong. Die Familie tritt hier in den Hintergrund und es geht vor allem um die gedanklichen Ausflüchte einer alleinerziehenden (?) Mutter, die sich vorstellt, wie das Leben wohl ohne ihre Kinder verlaufen wäre. Herzlos? Nein, Max sagt ja, dass die Kinder bei ihr an erster Stelle stehen.

Ein bisschen Leid gehört schon dazu, wenn es um die Familie gehen soll

Man könnte den Eindruck gewinnen, eine rührende Familiengeschichte sei erst Pop-tauglich, wenn sie einen Schicksalsschlag, ein Problem oder einen Konflikt enthält. Wer schluchzt schon über die Geschichte eines Familienurlaubs in der Eifel oder den Activity-Spieleabend? Nein, das Emotionale muss schon aus der Zuhörerschaft heraus gekitzelt werden. Der homosexuelle Sohn in Sarah Connors „Vincent“, der noch lernen muss, mit seiner sexuellen Orientierung umzugehen, findet Halt bei seiner Mutter und ja, am Schluss hat er sogar seine eigenen Kinder! In dem Austro-Pop Klassiker „Großvater“ von STS erinnert sich der Sänger an seinen verstorbenen besten Freund. Den Vater seiner Mutter, mit der er oft als Jugendlicher einen „Wickl“, also einen Streit hatte. Die großväterliche Art der Unterstützung? Bier!

Die Eltern mancher Künstler wünscht man sich nicht!

Aber wie ist es, wenn die Familie einem nicht den gewünschten Rückhalt bietet? Wenn es Trennung gibt, Vernachlässigung oder Gewalt? „Because of you“ – wegen dir habe ich Angst! Kelly Clarkson bekanntester Song ist zugleich ihr tragischster. Die Fehler ihres Vaters wird sie nicht machen, so viel Unglück zu verursachen, wird sie sich nicht erlauben. Pink hatte wohl eine ähnliche Kindheit. „Family portrait“ möchte die Interpretin ihre Kindheit möglichst schnell vergessen lassen, so viel Leid, Tränen und Angst scheint der Rock-Diva ihre Familie beschert zu haben. Stromae hat auch nicht viel Gutes über seinen Vater zu berichten. „Papaoutai“ bedeutet, etwas abgewandelt: Papa, wo bist du? Man möchte fast meinen, eine schwere Kindheit befördert die Musikalität! Sido möchte über seinen Vater nämlich auch nicht reden, obwohl „Bilder im Kopf“ insgesamt recht heiter ist.

Wenn die Familie nicht mehr helfen kann…

Manchmal ist die Familie jedoch auch ein Sehnsuchtsort. Tom Jones sehnt sich nicht nur nach dem grünen Gras (Nein, nicht was Sie jetzt denken) der Heimat, sondern er sieht in „Green, green grass of home“ auch seine Mama und seinen Papa vor sich. Familie und Heimat, das lässt sich eben oft nur schwer trennen. Tom Jones muss übrigens leider aus seinem Tagtraum erwachen, ohne Eltern. Er sitzt nämlich in einer Zelle. Ähnlich wie Johnny Cash, dem seine Mutter als Kind eingebläut hat, immer ein guter Junge zu sein und nicht mit Schusswaffen zu spielen. Am Ende hat er doch jemanden erschossen. Und so hat selbst der „Folsom prison blues“ irgendwie mit Familie zu tun.

Hundert Enkel!

Zuletzt schieben wir die Tragik bei Seite! Peter Fox‘ „Haus am See“ macht aus dem Berliner Rapper einen ja fast schon spießigen Patriarchen, der sich im Alter eine eigene Großfamilie auf einem großen Anwesen an einem See erträumt. Mit Orangenblättern auf dem Weg, versteht sich! So kitschig die Vorstellung auch sein mag, wünschen wir uns das nicht alle ein wenig für unseren Lebensabend? Die Szene klingt so entspannt und gemütlich, da verzeihen wir Peter Fox sogar die etwas gestrige Rollenverteilung, bei der die Mamas kochen und die Männer grillen und Schnaps …. trinken. Es müssen ja nicht gleich zwanzig Kinder sein! hon dazu, wenn es um die Familie gehen soll.